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Organspende: Neuer Anlauf für eine Widerspruchslösung

Organspende

„Deutschlandweit warteten zum Stichtag 31. Dezember 2023 fast 8.400 Patientinnen und Patienten auf ein Spenderorgan. Zugleich wurden im Jahr 2023 in Deutschland nur knapp 2.900 Organe von 965 Personen gespendet. Das bildet sich auch in den Zahlen für Nordrhein-Westfalen ab: Hier warteten zum gleichen Stichtag mehr als 1.800 Menschen auf ein Spenderorgan, während im gesamten Jahr 2023 lediglich 965 Organe von 166 Personen gespendet wurden. Die Zahlen bewegen sich seit Jahren auf einem vergleichbaren Niveau und das ist deutlich zu wenig. Oder anders und drastisch ausgedrückt: Das ist eine massive Lücke, die für viele Menschen am Ende womöglich den Tod bedeuten kann“, sagte Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann Anfang Juni im Rahmen der Vorstellung seiner Initiative.


„Vor diesem Hintergrund bin ich schon lange zu der Überzeugung gelangt, dass wir hier mit der Entscheidungslösung nicht weiterkommen. Daher setze ich mich so massiv für die Widerspruchslösung ein. Klar ist: Niemand darf zu einer Organspende gezwungen werden. Ich bin aber schon der Meinung, dass wir die Menschen dazu verpflichten können, eine Entscheidung dafür oder dagegen zu treffen. Zuletzt hat der Bundestag im Jahr 2020 zum Vorgehen bei der Organspende abgestimmt – mit einer Mehrheit für die Entscheidungs- und gegen die Widerspruchslösung. Mit der anderen Zusammensetzung des Bundestags durch die Wahl 2021 birgt eine erneute Abstimmung die Chance, die Widerspruchslösung endlich einzuführen – und mehr Leben zu retten“, so Laumann weiter.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit würde die Widerspruchslösung dazu beitragen, die Zahl der Organspenden in Deutschland zu steigern und Wartezeiten auf ein Organ deutlich zu verkürzen, denn laut einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung steht eine überwältigende Mehrheit von mehr als 80 Prozent der Menschen in Deutschland der Organspende positiv gegenüber.

So eine fraktionsübergreifende Initiative hatte 2020 bereits der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU gestartet. Für den Gruppenantrag zur Einführung der Widerspruchslösung stimmten damals 292 Abgeordnete, 379 waren jedoch dagegen.

„Wir sehen das in anderen europäischen Ländern, die die Widerspruchslösung bereits haben“, so Minister Laumann. „Die Einführung wird diejenigen, die keine Organe spenden wollen, dazu bewegen, dies auch zu dokumentieren. Denjenigen, die Organe spenden wollen, wird die Dokumentation abgenommen, weil sie automatisch als Organspenderinnen und -spender gelten. Ich bin überzeugt, dass wir in Deutschland keinen Mangel an Menschen haben, die aus Solidarität oder Nächstenliebe nach ihrem Tod Organe spenden wollen. Wir haben aber ein Dokumentationsproblem. Wenn Menschen ihre Einstellung nicht hinterlegt haben, müssen die Angehörigen entscheiden. In der Regel wird dann die Organspende aus Angst davor abgelehnt, möglicherweise gegen den Willen des Verstorbenen zu handeln“, so Minister Laumann.


Kritiker des Vorschlags wie Außenministerin Annalena Baerbock geben zu bedenken, dass ein Stillschweigen zur Organspende nicht als Zustimmung gewertet werden dürfe.

In Deutschland gilt bisher die sogenannte Entscheidungslösung: Organe und Gewebe dürfen nur dann nach dem Tod entnommen werden, wenn die verstorbene Person dem zu Lebzeiten zugestimmt hat. Liegt keine Entscheidung vor, werden die Angehörigen befragt.

Befürworter vermuten, dass die Zahl der tatsächlichen Organspenden insbesondere deshalb auf einem deutlich niedrigeren Niveau als in Nachbarstaaten verharrt. Denn in vielen anderen europäischen Ländern gilt die Widerspruchslösung bereits. Etwa 8.496 Menschen stehen in Deutschland auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Die meisten von ihnen warten auf eine Spenderniere. 2022 gab es bundesweit 869 Organspenderinnen und Organspender. Das entspricht 10,3 Organspenderinnen und -spender je eine Million Einwohner.

In Europa führt Spanien regelmäßig die Statistiken zur Organspende an. 2022 kamen dort auf eine Million Einwohner 46,0 Organspenderinnen und Organspender. Seit 1989 gibt es dort eine nationale Transplantationsbehörde, die eine landesweite Warteliste koordiniert und im Kontakt mit den lokalen Entnahmekrankenhäusern steht. Außerdem dürfen in Spanien Organe auch dann entnommen werden, wenn der Herztod vor dem Hirntod eingetreten ist.

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