Arbeitsrecht - 15.12.2021

Diskriminierung im Job vermeiden

Vor gut 15 Jahren wurde das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verabschiedet. Das AGG wirkt sich inzwischen auf zahlreiche Bereiche des Arbeitslebens aus, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen.

Diskrimierung aufgrund des Geschlechts

Fast alle am Arbeitsleben beteiligten Personen haben seit Einführung des Allgemeinen Gleichtbehandlungsgesetzes (AGG) verinnerlicht, dass in Stellenzeigen nicht mehr nach „maximal 30-jährigen, in Deutschland geborenen Männern für ein junges dynamisches Team“ gesucht werden darf, ohne dass Gerichtsverfahren und Entschädigungszahlungen die Folge sind.

Und auch Teilzeitkräfte dürfen wohl nicht mehr schlechter gestellt werden als Vollzeitkräfte.

Vermutlich sind auch die meisten Arbeitgeber klüger beraten als der Inhaber eines Kleinbetriebes, der einer Mitarbeiterin nach Ausspruch einer Kündigung in der Probezeit sinngemäß schrieb, dass er sie gar nicht erst eingestellt hätte, wenn sie ihren Kinderwunsch schon im Einstellungsgespräch offenbart hätte. Diese Benachteiligung wegen des Geschlechts war so offensichtlich, dass das LAG Köln den Arbeitgeber wegen einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu einer Entschädigungszahlung verurteilte und die Kündigung aufhob (LAG Köln, 17.1.2020 – 4 Sa 862/17).

Gendersternchen und „d“ wie deutsch

Eine Gebietskörperschaft hatte Stellen für „Diplom-Sozialpädagog*innen, Diplom- Sozialarbeiter*innen und Diplom-Heilpädagog*innen“ ausgeschrieben und dabei das sog. Gendersternchen (*) zum Ausdruck der Geschlechtsneutralität genutzt. Im weiteren Text der Stellenanzeige hieß es ausdrücklich „Näheres entnehmen Sie bitte dem nachstehenden Anforderungsprofil einer Fachkraft (m/w/d)“ sowie: „Schwerbehinderte Bewerber*innen werden bei entsprechender Eignung bevorzugt berücksichtigt.“

Eine zweigeschlechtlich geborene schwerbehinderte Person bewarb sich daraufhin auf die ausgeschriebenen Stellen, dies allerdings erfolglos. Der Arbeitgeber hielt die Person nämlich fachlich für so ungeeignet, dass sie nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Daraufhin klagte sie vor dem Arbeitsgericht und machte Entschädigungsansprüche geltend, u. a. aufgrund einer Diskriminierung wegen des Geschlechts, denn das in der Stellenausschreibung genutzte Gendersternchen (*) stelle, so die Klägerin, bei der Formulierung „Schwerbehinderte Bewerber*innen“ auf den Aspekt Geschlecht ab. Zudem trug die Klägerin vor, auch unter dem Gesichtspunkt der Rasse diskriminiert worden zu sein, da zweigeschlechtlich geborene Menschen in der Vergangenheit in verschiedenen Gesellschaften unter diesem Gesichtspunkt verfolgt wurden. Das „d“ müsse auch nicht zwingend für „divers“ stehen, sondern könne auch „deutsch“ bedeuten. Weiterhin sei die Verwendung des Begriffs „schwerbehinderte Bewerber*innen“ mit Gendersternchen laut Vorgaben des SGB IX nicht geschlechtsneutral und deshalb diskriminierend.

Aufseiten des beklagten Arbeitgebers wird man sich ob dieser Argumentation die Augen gerieben haben. Das LAG Schleswig-Holstein bescheinigte dem beklagten Arbeitgeber, alles getan zu haben, um die zu besetzenden Stellen geschlechtsneutral und diskriminierungsfrei auszuschreiben (LAG Schleswig-Holstein, 22.6.2021 – 3 Sa 37 öD/21).

Schon zuvor hatten Arbeitsgerichte festgestellt, dass die Verwendung des Gendersternchens in einer Stellenausschreibung zweigeschlechtlich geborene Menschen nicht diskriminiert (ArbG Gießen, 19.5.2020 – 9 Ca 8/20). Diese Auffassung teilt das LAG Schleswig-Holstein und führt weiterhin aus, dass die Verwendung von Gendersternchen einer geschlechtersensiblen und diskriminierungsfreien Sprache dient und zudem von der Antidiskriminierungsstelle der Bundesregierung empfohlen wird.

Vor allem aber ergebe sich aus dem Zusatz „m/w/d“ im Ausschreibungstext, dass die zu besetzenden Stellen vom Arbeitgeber geschlechtsneutral ausgeschrieben werden sollten. Das LAG verweist weiterhin darauf, dass die Nutzung von Gendersternchen momentan zu den am weitesten verbreiteten Methoden gehört, um die Vielfalt der Geschlechter deutlich zu machen. Auf diese Weise sollen Menschen angesprochen werden, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugehörig fühlen oder die sich nicht dauerhaft oder ausschließlich einem Geschlecht zuordnen lassen.

Die Behauptung der Klägerin, das „d“ könne auch für „deutsch“ stehen, hielt das LAG schlicht für abwegig.

Praxistipp

Wenn Unternehmen eine Stellenanzeige aufgeben, sollten sie – unabhängig von der Berufsangabe – auf einen eindeutigen Hinweis zur Geschlechtsneutralität wie z. B. „m/w/d“ achten.

AGG auch bei Kündigungen und Teilzeitarbeit

AGG auch bei Kündigungen

Viele Arbeitgeber glauben, dass die Bestimmungen des AGG v. a. bei Einstellungen von Arbeitskräften zu beachten sind. Dies trifft aber nicht zu. So ist beispielsweise die arbeitgeberseitige Kündigung einer schwerbehinderten Person ohne vorherige Beteiligung des Integrationsamtes nicht nur wegen eines schweren Verfahrensfehlers unwirksam, sondern auch teuer. Wird die Behörde, ob versehentlich oder mit Absicht, nicht eingeschaltet, kann die betroffene Person eine Benachteiligung geltend machen und Entschädigung verlangen (LAG Baden-Württemberg, 17.5.2021 – 10 Sa 49/20).

AGG und Teilzeitarbeit

Eine der spannendsten Fragen im Arbeitsrecht ist aktuell, ob Teilzeitbeschäftigte diskriminiert werden, wenn sie Überstundenzuschläge nicht schon bei individueller Mehrarbeit im Vergleich zur vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erhalten, sondern erst, wenn sie die Überstundengrenze vollzeitbeschäftigter Mitarbeiter erreichen.

Es geht also erstens um die Frage, ob beispielsweise einer 20-Stunden-Kraft, die wöchentlich 10 Stunden zusätzliche Arbeit leistet, Überstundenzuschläge verweigert werden können, während eine Vollzeitkraft, die 10 Stunden in der Woche länger arbeitet, diese Zuschläge erhält. Zweitens muss geklärt werden, ob neben den Zuschlägen auch eine Entschädigung wegen einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung von Teilzeitkräften gefordert werden kann.

Das BAG hat den Europäischen Gerichtshof (EuGH) diesbezüglich um eine Stellungnahme gebeten (BAG 28.10.2021 – 8 AZR 370/20 (A)).

Praxistipp

Wann und wie der EuGH in dieser Sache entscheidet, ist nicht absehbar. Jedoch sollte niemand verwundert sein, wenn das höchste europäische Gericht von einer Diskriminierung dieser Mitarbeitergruppe ausgeht. Deshalb sollten Arbeitgeber und Personalverantwortliche, die Teilzeitkräften nicht ab der ersten Überstunde Zuschläge zahlen, entsprechende Rücklagen bilden.

Hinweis: Bitte beachten Sie, dass dieser Inhalt zwischenzeitlich veraltet sein könnte.

Keine Ausgabe mehr verpassen? Hier abonnieren.