Arbeitsrecht - 03.08.2021

Mitbestimmung in Unternehmen modernisiert

Nach langer Beratung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist am 18. Juni 2021 das sog. Betriebsrätemodernisierungsgesetz in Kraft getreten, von dem sich der Gesetzgeber v. a. eine Stärkung der Position der Betriebsräte verspricht. Hierzu gehört nicht zuletzt eine Vereinfachung der Vorschriften für die im Frühjahr 2022 bundesweit anstehenden Betriebsratswahlen.

Änderungen beim Wahlalter, Kündigungsschutz und Wahlverfahren

Für Arbeitgeber und Personalabteilungen ändert sich durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz nicht besonders viel. Sämtliche der im Folgenden genannten Änderungen gelten ohne Übergangszeit seit dem 18. Juni 2021.

Änderungen beim Wahlalter

Eine erste Auswirkung des Gesetzes ist die Absenkung des Mindestalters des aktiven Wahlrechts. Ab sofort kann eine Stimme bei der Betriebsratswahl abgeben, wer das 16. Lebensjahr vollendet hat (§ 7 Betriebsverfassungsgesetz – BetrVG). Diese Maßnahme zur Förderung der Attraktivität der Betriebsratswahl hat aber keinen Einfluss auf die Größe des Gremiums, die sich unverändert aus der Anzahl der insgesamt im Betrieb beschäftigten Personen ergibt.

Wer sich für ein Betriebsratsamt zur Wahl stellt, muss aber unverändert das 18. Lebensjahr vollendet haben.

Der Arbeitgeber hat dem Wahlvorstand nun Angaben zu allen Beschäftigten zur Verfügung zu stellen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben – also nicht mehr nur zu denjenigen Beschäftigten über 18 Jahren. Was aber in der Praxis kaum Mehraufwand bedeuten wird.

Ausweitung des vereinfachten Wahlverfahrens

Um Betriebsratswahlen attraktiver zu machen, hat der Gesetzgeber die Ausweitung des sog. vereinfachten Wahlverfahrens beschlossen (§ 14a BetrVG). Deshalb ist in Betrieben mit 51 bis 100 Wahlberechtigten das vereinfachte Wahlverfahren nun Pflicht. Mit dieser Änderung müssen sich die Wahlvorstände vertraut machen, während sich für Arbeitgeber daraus keine Änderungen ergeben.

In Betrieben mit 101 bis 200 wahlberechtigten Beschäftigten besteht die Möglichkeit, mit dem Wahlvorstand die Anwendung des vereinfachten Wahlverfahrens zu vereinbaren, von dem in aller Regel auch die Initiative dazu ausgehen wird. Der Vorteil für Arbeitgeber ist, dass die Wahl auf diese Weise schneller und damit kostengünstiger durchgeführt werden kann. Die Anwendung des vereinfachten Wahlverfahrens ist jedoch in diesen Fällen nur optional und nicht verpflichtend.

Für Arbeitgeber und Personalabteilungen ändert sich durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz nicht besonders viel. Sämtliche der im Folgenden genannten Änderungen gelten ohne Übergangszeit seit dem 18. Juni 2021.
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Ausweitung des Kündigungsschutzes

Durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz wird der Kündigungsschutz von Personen, die Betriebsratswahlen vorbereiten oder einleiten, geringfügig erweitert. Große praktische Auswirkungen sind nicht zu erwarten.

Wenn Personen zur Wahlversammlung einladen, erweitert sich der Kündigungsschutz auf die ersten sechs – statt bisher die ersten drei – in der Einladung aufgeführten Personen (§ 15 Abs. 3a Kündigungsschutzgesetz – KSchG). Damit wird zwar eine größere Anzahl von Personen geschützt als für das Einladungsschreiben mindestens erforderlich ist, jedoch dürften die Auswirkungen überschaubar sein, zumal die Erweiterung ohnehin im Wesentlichen nur für Betriebe gilt, in denen es noch keinen Betriebsrat gibt.

Auch Personen, die andere Vorbereitungshandlungen zur Gründung eines Betriebsrats unternehmen, können nun Kündigungsschutz in Anspruch nehmen, der sich aber nur auf ordentliche personen- und verhaltensbedingte, nicht jedoch betriebsbedingte Kündigungen bezieht. Dieser besondere Kündigungsschutz zur Einleitung einer ersten Betriebsratswahl beginnt, sobald Gespräche mit anderen Beschäftigten zur Unterstützung einer Betriebsratsgründung geführt werden oder bei einer ersten Kontaktaufnahme zu einer Gewerkschaft. Dieser besondere Kündigungsschutz endet mit dem Zeitpunkt der Einladung zur Wahl, spätestens jedoch drei Monate nach der Beglaubigung. Dabei kommen natürlich die bisherigen Kündigungsschutzvorschriften zur Anwendung, wenn diese Personen sich zur Wahl aufstellen lassen oder ein Amt im Wahlvorstand bekleiden sollten.

Unter dem Strich wirkt sich der erweiterte Kündigungsschutz für Betriebe, in denen es bereits einen Betriebsrat gibt, kaum aus.

Digitalisierung in der Betriebsratsarbeit

Das neue Betriebsrätemodernisierungsgesetz trägt auch den neuen digitalen Anforderungen an die Betriebsratsarbeit Rechnung, inwieweit – auch unabhängig von Corona-Infektionszahlen – virtuelle Sitzungen erlaubt, wo Mitbestimmungsrechte durch die Digitalisierung betroffen oder welche Datenschutzaspekte zu beachten sind.

Virtuelle Betriebsratssitzung erlaubt

Ab sofort können Betriebsratssitzungen auch als Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt werden, unabhängig von den Corona-Infektionszahlen (§ 30 BetrVG). Auch Beschlüsse können auf diese Weise wirksam gefasst werden. Allerdings sollen, so sieht es das BetrVG vor, Präsenzsitzungen unverändert Vorrang haben. Zudem gibt es verschiedene weitere Einschränkungen: So sind virtuelle Betriebsratssitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz grundsätzlich nur zulässig, wenn

  • die Voraussetzungen dafür in der Geschäftsordnung des Betriebsrats unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt sind, was Arbeitgeber nicht verlangen können,
  • nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats widerspricht un
  • sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis erhalten können.

Auf diese Faktoren haben Arbeitgeber keinen Einfluss und die Arbeitsgerichte haben bereits bestätigt, dass der Betriebsrat ganz allein entscheiden kann, ob er virtuell oder in Präsenz zusammenkommt. Außerdem sind Sanktionen oder gar Kürzungen der Vergütung wegen der Teilnahme an einer virtuellen Betriebsratssitzung nicht erlaubt. Bevor Betriebe die Mitarbeitervertretung ihres Hauses motivieren, zukünftig mehr virtuell und weniger in Präsenz zusammenzukommen, sollten diese allerdings bedenken, dass der Betriebsrat und seine Mitglieder dann eine angemessene und sachgerechte technische Ausstattung verlangen können (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. 4. 2020, 15 TaBVGa 401/21Hessisches LAG, Urteil vom 21.5.2021, 16 TaBvGa 79/21).

Datenschutz

Keine Gesetzesänderung ohne Datenschutzaspekte, wenngleich die erfolgte Klarstellung aus Praxisgründen zu begrüßen ist: Es ist nun verbindlich geregelt, dass der Arbeitgeber bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betriebsrat der Verantwortliche für die Verarbeitung im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften ist, soweit die Verarbeitung durch den Betriebsrat zur Erfüllung seiner Aufgaben erfolgt (§ 79a BetrVG).

Der betriebliche Datenschutzbeauftragte ist auch für die Kontrolle der Datenverarbeitung durch den Betriebsrat zuständig, allerdings gegenüber dem Arbeitgeber zu besonderer Verschwiegenheit verpflichtet. Dateninhalte dürfen in keinem Fall weitergegeben werden.

Digitalisierung in der Betriebsratsarbeit
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Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur

Vermutlich wird es etwas dauern, bis eine weitere Neuerung des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes anerkannt und genutzt wird, dennoch hält die virtuelle Welt auch an anderer Stelle Einzug ins BetrVG: Nunmehr können Betriebsvereinbarungen unter Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur abgeschlossen werden (§ 7 Abs. 2 BetrVG). Gleiches gilt auch für Interessenausgleich und Sozialplan (§ 112 Abs. 1 BetrVG) sowie im Einigungsstellenverfahren. Der formelle Abschluss von Betriebsvereinbarungen kann auf diese Weise v. a. in Unternehmen mit mehreren Betriebssitzen oder bei intensiver Nutzung von Homeoffice oder mobiler Arbeit vereinfacht und beschleunigt werden.

Erforderlich dafür ist die technische Nutzungsmöglichkeit einer anerkannten elektronischen Signatur.

Erweiterte Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte

Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz enthält auch eine Erweiterung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates, die Arbeitgeber beachten müssen. Zunächst besteht ab sofort ein zwingendes Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit mittels Informations- und Kommunikationstechnik (§ 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG).

Die unternehmerische Entscheidung, ob mobile Arbeit eingeführt wird, treffen Arbeitgeber unverändert allein. Nur bei der Ausgestaltung, z. B. wann, für wen und für wie lange mobiles Arbeiten eingeführt wird, ist der Betriebsrat nun immer zu beteiligen.

Auch beim Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) sind die Beteiligungsrechte des Betriebsrats ausgeweitet worden:

  • Der Betriebsrat kann ohne Weiteres einen Sachverständigen auf Kosten des Arbeitgebers hinzuziehen, wenn er die Einführung oder Anwendung von KI beurteilen muss (§ 80 Abs. 3 BetrVG).
  • Es bestehen erweiterte Unterrichtungs- und Beratungsrechte bei der Planung von Arbeitsverfahren und -abläufen, wenn der Einsatz von KI im Betrieb vorgesehen ist (§ 90 Abs. 1 S. 3 BetrVG).
  • Auswahlrichtlinien zur Personalauswahl bedürfen der Zustimmung des Betriebsrates, wenn diese Richtlinien ausschließlich oder auch nur mit Unterstützung von KI erstellt werden (§ 95 Abs. 2a BetrVG).

Video Betriebsrätemodernisierungsgesetz: Wichtige Änderungen für Betriebsräte, Quelle: ifb – Institut zur Fortbildung von Betriebsräten

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